Als gebürtiger Bochumer habe ich nicht lange gezögert als ich hörte, dass im Bochumer Bermuda3Eck (vergleichbar mit der Zülpicher Straße in Köln) die erste Konferenz für digitales Marketing stattfindet. Die koks.digital wurde vom Initiativkreis Ruhr und der Online-Marketing-Agentur Go Between Digital initiiert und von letzterer veranstaltet.
Kleiner Exkurs für alle Nicht-Pottkinder:
Mit „Koks“ ist an dieser Stelle nicht der weiße Schnee, sondern ein Brennstoff, der aus Kohle hergestellt wird, gemeint. Koks gehört mindestens genauso zum Ruhrpott wie das Kölsch und der Karneval zu Köln ;).
Kurze Geschichte des Veranstaltungsorts
Zu Beginn erläuterte Oliver Daniel Sopalla, Geschäftsführer von Go Between Digital und einer der Moderaten der koks.digital, warum das Riff, welches man sonst nur als Disko und Veranstaltungshalle kennt, aufgrund der Bochumer Geschichte der beste Ort für eine solche Konferenz ist.
Laut Geschichte war das Gebäude, das sich heute Bermudahalle Riff nennt, einst der Bochumer Hauptbahnhof. Als jedoch 1957 ein neuer Hauptbahnhof, nicht weit davon entfernt, eröffnet wurde, stand das Gebäude leer. Jahre später entstand durch den „Erfinder“ des Bermuda3Ecks (inklusive des größten Biergartens auf der Welt) Leo Bauer eine Diskothek. Dieser kreative Spirit stellt die Basis für eine Konferenz, die zum Wissensaustausch anregt und rechtfertigt das Riff als Veranstaltungsort der koks.digital in vollstem Maße.
Bernd Tönjes (Moderator des Initiativkreis Ruhr & Vorstandsvorsitzender der RAG AG) läutet die Konferenz offiziell mit einem „Glück auf“ ein und stellt klar, dass mittlerweile auch die großen Unternehmen verstanden hätten wie wichtig Online Marketing in der heutigen Zeit ist und sein wird. Die Partnerschaft mit der koks.digital ist mit Blick auf Digitalisierung ein Schritt in die Zukunft.
SEO und Content Marketing
Als erster Speaker kam Markus Klöschen von der diva-e GmbH auf die Bühne und machte klar, dass die Erstellung von Texten mit 350 Wörtern und 3 Zwischenüberschriften gestern war. Oberste Priorität hat die Relevanz des Contents für die Zielgruppe. Darüber hinaus gilt: Der Text muss so lang sein, wie er lang sein muss. Doch wie erstellt man diesen Inhalt?
Markus Klöschen rät zum einen zur Nutzung von Tools wie z.B. Infinite Suggest und zum anderen zur klassischen Beobachtung der Konkurrenz. Sind relevante Themen ermittelt, werden diese Themen gefiltert, mit Daten wie dem Suchvolumen angereichert, geclustert und erstellt. Dabei sollte man einen Abgleich zu bestehenden Inhalten machen, um doppelte Inhalte zu vermeiden. Schließlich ist eine Veredelung durch Bilder und Grafiken sinnvoll. Es folgt das Seeding des Contents in Social Networks, damit dieser von der Zielgruppe auch wahrgenommen wird. Darüber hinaus kann vorhandener Content recycelt bzw. aktualisiert oder einem Upcycling-Prozess unterzogen werden (Optimierung des Inhalts).
Display Advertising Strategies
Lisa-Christin Paschedag von der VIVALU GmbH nahm sich der Themen des Display und Programmatic Advertisings an. Zu Beginn erläuterte sie die Geschichte des Display Advertisings und die einhergehenden Nachteile, um im Folgenden näher auf Programmatic Advertising einzugehen.
Programmatic Advertising steht für „Audience is King“, da diese Form der Werbung auf die individuellen Eigenschaften des einzelnen Users abzielt. Jede Impression ist wertvoll, da die Kampagne ausgesprochen zielgerichtet ausgeliefert wird. Dies erklärt die steigende Popularität des Programmatic Advertising, das zudem vielseitig einsetzbar ist: Mit Branding (Bekanntheitssteigerung), Pre-Targeting (wird gerne zur Neukundengewinnung eingesetzt) und Re-Targeting (Wiederansprache) bietet es für jedes Kampagnenziel die passende Methode.
Allerdings spricht Paschedag auch an, dass es aufgrund der datengetriebenen Basis des Programmatic Advertisings immer wieder Diskussionen gibt, in denen die Notwendigkeit von Transparenz zwischen Publishern, Agenturen und Kunden thematisiert werden.
Pause mal anders
Neben kühlen Getränken gab es in einer kurzen Pause mit Marock Bierlej einen Poetry Slammer zu bestaunen, der in seinem Text eine Ruhrpottstadt nach der anderen aufzählte. Eine nette Abwechslung und vor allem eine heimatbezogene Abgrenzung zu anderen Konferenzen.
Bedeutung des E-Commerce für den klassischen B2B Flächenvertrieb
Dr. Helge Guba von der Ruhr-Universität Bochum behandelte die Auswirkungen von E-Commerce auf den klassischen B2B-Flächenbetrieb. Mit der Digitalisierung entdecken immer mehr Unternehmen das Potenzial Produkte auch online zu vertreiben, sodass Online-Umsätze für stark vergleichbare Produkte ansteigen.
Die Einführung von Online-Shops schürt auf der einen Seite das Spannungsfeld zwischen On- und Offline und erzeugt auf der anderen Seite eine Kannibalisierung der Kanäle, was wiederum zu einem veränderten Pricing führt. Trotz der weitreichenden Veränderungen der Vertriebslandschaft durch die Digitalisierung merkt Dr. Helge Guba an, dass auch in Zukunft in bestimmten Branchen Außendienstmitarbeiter benötigt werden, weil es weiterhin Produkte und Dienstleistungen geben wird, die eine persönliche Beratung benötigen wie z.B. die Autoreparatur in der Werkstatt.
Die große Herausforderung für Unternehmen besteht nun darin, eine Omnichannel-Strategie zu entwickeln, in der möglichst alle Kanäle ineinander greifen.
Touchpoints im Cross-Channel – Gib mir mehr!
Der nächste Speaker war Christian Gleich von der metapeople GmbH. Christian Gleich hebt hervor, dass es für Touchpoints im Cross-Channel wichtig ist zu verstehen, was Kunden bewegt. Hier zählen nicht nur Aktivitäten in der Online-Welt. Es ist ebenso wichtig Offline-Touchpoints aufzunehmen. Touchpoints sollten nicht isoliert voneinander betrachtet werden, sondern im Gesamtbild der Customer Journey gesehen werden. Dies bedarf einer Analyse der einzelnen Aktivitäten des (potenziellen) Kunden nicht nur während der „Reise“, sondern auch nach dem Kauf oder der Inanspruchnahme einer Leistung. Nur eine ganzheitliche Betrachtung der On- und Offline-Touchpoints liefert solide Informationen und hilft eine langfristige Kundenbeziehung aufzubauen.
„Kommste vonne Schicht, wat schönret gibt et nich, als wie Currywurst“
Mit diesen Worten der Bochumer Ikone Herbert Grönemeyer wurden wir in die Mittagspause verabschiedet. Die so heiß ersehnte Currywurst darf da natürlich nicht fehlen. Jetzt noch ein lecker Fiege… ach ne erst ab 16 Uhr 🙁
SEO Controlling mit Google Analytics
Was bringt eine gute Kampagne und/oder eine super konzipierte SEO-Strategie ohne Ziele und Kennzahlen? Richtig, nichts. Was ist, wenn wir Kennzahlen haben? Was macht man damit und noch viel wichtiger, was sagen sie aus?
Axel Gönnemann von der AGOM UG stellt unmissverständlich klar, dass Kennzahlen oder KPIs, die durch SEO gewonnen werden, mit anderen Marketing Kennzahlen logisch verknüpft werden müssen. Es muss immer klar sein, was eine bestimmte Kennzahl wie z.B. Sichtbarkeit, Bounce Rate, meistaufgerufene Seiten etc. für das Ziel bedeutet. Die Vielfalt der Informationen, die Google Analytics und die Google Search Console für das Monitoring und Reporting dieser Kennzahlen liefert ist enorm.
Weiter rät Axel Gönnemann jedem, der Google Analytics benutzt die benutzerdefinierten Alerts in Google Analytics zu aktiveren, um rechtzeitig auf eher unschöne Veränderung aufmerksam zu werden.
New Platform Advertising
Mit Jan Stranghöner, der als selbständiger Berater in Sachen SEO & Social Media unterwegs ist, kam dann doch noch ein Gesicht aus dem Rheinland auf die Bühne. Jan Stranghöner stellte klar, dass wir uns in Zeiten von Facebook, Twitter, Snapchat und Co. in einer Multichannel-Welt befinden.
Vermutungen und Vorhersagen Facebook oder andere Netzwerke seien tot und würden auf Dauer von der Bildfläche verschwinden, sind eher als realitätsfern einzustufen. In der heutigen Zeit streben soziale Netzwerke vielmehr eine Komplementarität an. Dies gilt nicht nur für die Nutzer, sondern auch für Unternehmen und Agenturen. Jeder Kanal funktioniert anders, sodass auch die Anforderungen an guten Content verschieden sind. Inhalte müssen über den richtigen Kanal an die richtige Zielgruppe gelangen, um als erfolgreich gelten zu können.
Die Veränderung der Nutzung von Social Media bedingt auch ein Umdenken in der Erstellung von Content. So kann beispielweise ein einfaches und schnell erstelltes GIF über ein Thema, das z.B. über 9GAG recherchiert wurde zum Hit für die eigene Zielgruppe werden. Mittlerweile gibt es sogar die Möglichkeit, dass Unternehmen Filter für Snapchat erstellen.
Jan Stranghöner merkt jedoch an, dass große Reichweiten auf Facebook nur gegen Bezahlung realisierbar sind. Eine gute Story für ein Produkt bringt nicht viel, wenn man den Kunden keine Möglichkeit zur Interaktionen gibt. Ein einfacher Hashtag auf dem Produkt kann diese Barriere schon brechen.
IT-Security made in Bochum
Der nächste Vortrag hatte weniger mit meiner täglichen Arbeit zu tun, aber war dennoch extrem interessant. Christian Zenger arbeitet an der Ruhr-Universität Bochum, ist CEO und Co-Gründer der IT Sicherheitsfirma PHYSEC.
Was ich nicht wusste ist, dass Bochum als Hacker-Hochburg gilt, als „Security Valley“ bezeichnet wird und sogar die ein oder andere Hacker-Gruppe ihren Sitz dort hat. Die Digitalisierung unseres Alltags lässt die Cyberkriminalität ebenfalls ansteigen. An ein paar imposanten Bespielen hat Christian Zenger aufgezeigt, dass schnell Schäden in Millionenhöhe entstehen können, wenn man nicht mehr Herr seiner Systeme für Maschinen oder Ähnliches ist.
Daher ist umso wichtiger die genutzten Systeme sicher zu machen, denn gerade das „Internet der Dinge“ ist derzeit noch ziemlich anfällig für Hackerangriffe. Derartige Fälle betreffen sowohl Privatleute als auch Unternehmen. Heutzutage machen Cyberkriminelle doppelt so viel Umsatz wie die größte klassische Offline-Mafia, die aus ökonomischer Sicht mit ihren 70 Mrd. Dollar pro Jahr gar nicht so schlecht dasteht.
Der Anteil des Internet wie wir es kennen liegt bei lediglich 15 % (Surface Web), die anderen 85 % teilen sich in Deep Web und Dark Net auf. Hier ist anzumerken, dass das Deep Web den Menschen hilft, was man von den sog. Black Markets im Dark Net nicht behaupten kann.
Was heißt das für uns? Digital ist gut, Digital ist einfach. Jedoch steigen mit der Digitalisierung die Gefahren für medizinische Sicherheit, Freiheit und Privatsphäre sowie das industrielle Know-how. Lösung: Menschen und Unternehmen über Gefahren aufklären und mehr Geld in IT-Sicherheit investieren!
Bier ab vier
Der nächste große Meilenstein war geschafft: 16 Uhr! Passend zu den Temperaturen ein frisch gezapftes kühles Blondes. Eine kleine Enttäuschung stellte sich ein als ich dann das lecker Pils in einem Kölschglas über die Theke gereicht bekam. Es hat dennoch geschmeckt! 🙂
Customer Journey Analyse
Marcel Schöne von der uppr GmbH ist Spezialist für digitalen Vertrieb und speziell für Customer Journey Analysen.
Marcel Schöne stellt an eine Analyse einer Customer Journey fünf Bedingungen: Erstens müssen Customer Journeys unabhängig bewertet werden und fordern vollständige Transparenz durch Vermarkter. Zweitens ist es sinnvoll eine kanalübergreifende Analyse durchzuführen. Die kundenzentrierte Optimierung der Journey durch Anreicherung von bspw. Personas steht an dritter Stelle. Als viertes ist eine kontinuierliche Verbesserung durch ein individuelles und lernendes Attributions-Modell von großer Bedeutung, um den einzelnen Touchpoints den richtigen Wert beizumessen, denn auch vorherige Touchpoints können für den Kaufprozess wichtig sein. Letztlich sollten die gewonnenen Daten wirklich genutzt werden, um entsprechende Schlussfolgerungen und Optimierungsmaßnahmen erarbeiten zu können.
Darüber hinaus empfiehlt Marcel Schöne ein Kanal-Gleichgewicht anstatt einer Abhängigkeit anzustreben, die Allokation des Budgets gut im Auge zu behalten und einen Sinn für das Zusammenspiel von Kanälen zu entwickeln, denn kein Kanal arbeitet komplett alleine. Außerdem ist es wichtig alternative Abschlusskanäle auf dem Schirm zu haben, die man dann auch tracken sollte.
Digital Organization
Bei über 30 Grad an diesem Tag und einem Feeling wie in einer Sauna inklusive Verschmelzung mit dem Stuhl auf dem man saß hat sich das Publikum zum vorletzten Vortrag schon etwas reduziert. Martin Kulik von der United Digital Group GmbH hat dieser Umstand jedoch nicht abgehalten spannende Insights zum Thema Markenführung und digitale Transformation zu geben.
Anhand der Geschichte der Industrie vom 18. Jahrhundert bis heute machte er klar, dass sich Lebenswirklichkeiten grundlegend geändert haben (eine neue Lebenswirklicht besteht heute darin, dass wir im Schnitt 80 Mal am Tag auf unser Smartphone schauen). Unternehmen arbeiten immer mehr aus einer datengetriebenen Basis heraus, Hierarchien werden zunehmend flacher, sodass sich ganze Strukturen maßgebend verändern. Heutzutage gibt es weniger klassisches „Silo-Denken“ und feste Abteilungen, vielmehr wird in Netzwerken gearbeitet.
Die Digitalisierung verändert ebenso die Markenführung. Als Beispiel nannte Kulik den FC Schalke 04, dessen Umsatz nur noch zu 13 % aus dem eigentlichen Spielbetrieb generiert wird. Der Rest ist die Marke. Das heißt Geschäftsmodelle ändern sich und vor allem wachsen diese schneller. Uber hat 5 Jahre für 1 Milliarde Fahrten gebraucht hat und dann nur ein weiteres für die nächste Milliarde Fahrten. Man spricht von einer exponentiellen Zukunft.
Jan Kulik lenkte mit seinem Vortrag den Blick auf große Ganze hinsichtlich der digitalen Transformation, damit einhergehenden Veränderungen von Strukturen in Organisationen sowie Markenführung und das exponentielle Wachstum von neuen digitalen Geschäftsmodellen.
Advanced Facebook Targeting Tactics
Der letzte Beitrag des Tages kam von Ben Küstner. Ben ist SEM-Experte bei dem Kölner StartUp Crowdfox und betreibt seit 2015 einen eigenen Burgerladen in Gelsenkirchen. Als waschechter Schalker der perfekte Standort. Da werde ich als leidenschaftlicher schwarz-gelber wohl nie in den Genuss einer seiner Burger kommen ;).
Gleich zu Beginn gab Ben Küstner mit dem Statement: „Facebooks Ads sind eine Revolution der Werbeindustrie“ die Marschroute der letzten 45 Minuten des Tages vor. Neben allgemeinen Tipps wie „Zeige den richtigen Leuten die richtige Anzeige“, erklärt Ben ausführlich wie dies anhand der Einstellungen der Interessen für Facebook Ads funktioniert.
Die Einstellungen der Interessen im Facebook Ad Manager sind das A und O für eine gute Anzeige. Dabei ist wichtig sich nicht zu sehr auf generische Begriffe, bekannte öffentliche Personen und Events zu fokussieren. Die richtigen Leute findet man eher in den Fans von unbekannten öffentlichen Personen, speziellen Fan Pages und Communities.
Das Zauberwort lautet: Longtail-Interessen!
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Anwendung von Split-Tests. Die Anzeigen sollten im Mobile Newsfeed sowie im Desktop Newsfeed geschaltet werden. Die rechte Seite auf dem Desktop ist laut Ben Küstner nicht für die Anzeigenschaltung zu empfehlen. Die Audience Size sollte 30.000-200.000 User umfassen, denn insbesondere eine Reichweite von unter 10.000 wird teuer, weil Facebook selbstverständlich euer Werbebudget verkloppen will.
Darüber hinaus gibt es jedoch auch ein paar Tipps für die Anzeige selbst von Ben, denn diese sollte zum einen nicht wie eine Anzeige aussehen und zum anderen im besten Fall Emotionen auslösen. Von Vorteil ist es also sich die Anzeige mal kurz durch die AIDA-Brille anzuschauen. Als Beispiel führt Ben Küstner u.a. seine unfassbar erfolgreiche Burger Ad für seinen Laden vor.
Alles in allem ein ziemlich spannender Vortrag mit einer Menge Input.
Fazit: Empfehlenswert!
Abschließend lässt sich sagen, dass die erste koks.digital ein voller Erfolg war. Die Location passt zu dieser Veranstaltung wie die Faust aufs Auge. Die Vorträge waren allesamt interessant und gespickt mit Tipps für die tägliche Arbeit.
Vielen Dank an die Veranstalter und hoffentlich bis nächstes Jahr!