Zwei Mal im Jahr findet das berühmtberüchtigte MeasureCamp in London statt, eine „unconference“ rund um das Thema web analytics. Das Besondere an einer uncoference ist, dass die Speaker und die Agenda im Vorfeld noch nicht klar sind, sondern sich erst am Anfang des Tages und teilweise auch im Laufe herausstellen. Bei einer unconference, einem sogenannten Barcamp kann jeder der Lust hat zu einem beliebigen Thema einen Vortrag, eine Diskussion oder einen Workshop halten und sich je nach Verfügbarkeit und Nachfrage auch Raum und Uhrzeit aussuchen. So entsteht dann erst live vor Ort die Agenda für den Tag. Was ich vom MeasureCamp mit nach Hause genommen habe, lest Ihr hier.
Der Trainingstag
Dieses Mal war ich auch beim Trainingstag dabei, welcher am Vortag stattfindet. Hier können die Teilnehmer in einer Vormittags- und einer Nachmittagssession intensiv in verschiedenste Themenbereiche eintauchen.
Ich habe mich am Vormittag für eine Einführung in die Programmiersprache R entschieden, welche durch Richard Fergie vorgestellt wurde und super praxisorientiert war. Er gab uns zuerst einen kleinen Überblick über R und welche Vorteile es mit sich bringt. Danach ging es schon in die Praxis und anhand von anfangs einfachen Beispielen durften wir verschiedene Befehle und Funktionen kennenlernen. Er zeigte uns auch wie man sich Datensets aus Google Analytics zieht und auf welchem Wege man gezielt Abfragen durchführen kann. Spannender Abschluss dieser Session war die Datenvisualisierung mit ggplot sowie forecasting. Wer so wie ich auch noch keine Ahnung von R hat, sich da aber gerne reinarbeiten möchte, findet hier eine step by step Anleitung von Richard.
In der zweiten Session am Nachmittag stellte Craig Sullivan verschiedene Analytics Modelle vor, und gab Tips zur Conversion Rate Optimierung. Hier gab es nochmal geballte Input Power mit verschiedenen Slidedecks, die nochmal auf weitere Slidedecks verlinkten 😉 . Ein wichtiger Hinweis, den ich mitgenommen habe war, sich nochmal bewusst zu machen auf welcher Ebene es Sinn macht einen Messwert zu berechnen und zu nutzen. Hier sollte man sich immer zuerst fragen, ob dies auf Nutzer- oder Sitzungsebene relevant ist, um mit möglichst den richtigen Werten zu arbeiten.
Die unconference
Am Samstag fand die Hauptveranstaltung, das MeasureCamp statt. Hier kommen nicht nur Besucher aus London und Umgebung, sondern auch international aus den verschiedensten Ländern.
Bei bis zu 9 unterschiedlichen aber gleichzeitig stattfindenden Sessions fällt die Wahl oft nicht leicht da man sich meist doch stärker für 2-3 Themen interessiert. Einen Auszug aus meinen Top 5 Sessions findet ihr hier:
Why most attribution is rubbish – Harry Davison
In seiner Session zeigte Harry Davison auf, welche Schwierigkeiten und Hürden Attributionsmodelle mit sich bringen und weswegen diese oftmals nicht aussagekräftig sind. Das kann z.B. an Kausalitäten liegen, oder einfach daran, dass die Nutzer in der Zielgruppe sowieso schon eine gewisse Tendenz haben. Wenn man z.B. mit Paid Remarketing eine Nutzergruppe wieder anspricht, diese Nutzer aber sowieso schon die Tendenz haben im eigenen Shop zu kaufen, dann wird diesem Kanal der Kauf zugeordnet. Hier kann man dann hinterfragen ob das so sinnvoll ist, wenn die Nutzer eh die Eigenschaft aufweisen so oder so bei einem zu kaufen. Gleiches gilt z.B. für die Ansprache von Nutzern, die eh niemals bei einem gekauft hätten. Hier ist dann nicht ganz klar gesagt, dass der Kanal über den die Nutzer kamen überhaupt gar nicht funktioniert.
Google Optimize Pro Tips – Doug Hall
Doug Hall ging sehr auf die technischen Gegebenheiten und Bedingungen ein, die auf einen
zukommen, wenn man Google Optimize nutzt. Um das Tool zu nutzen muss nämlich ein Code auf der
Website platziert werden, welcher unter Umständen zu „Flackern“ auf der Seite beim Laden führen
kann. Um das zu verhindern gab er Empfehlungen wie und wo und mit welchen Zusatzinformationen
der Code am besten einzubauen ist. Außerdem gab er Handlungsempfehlungen wie man am besten
vorgehen sollte, wenn vorher noch das Nutzereinverständnis einzuholen ist.
Getting the most out of GA API if you’re not a developer – Charles Meaden
Dass das Arbeiten mit der Google Analytics API gar nicht so eine schwierige Sache ist, zeigte Charles
Meaden in seiner Session. Er stellte kurz verschiedene Tools vor, mit denen man die API anzapfen
kann und zeigte dann ein paar nützliche Beispiele anhand von Analytics Edge, welches er auch sehr
empfiehlt. Mithilfe von Analytics Edge kann man sich selber ganz einfach Informationen, Dashboards
oder auch fehlende Reports ohne größeren Aufwand zusammenbauen.
Analytics for Business – Phil Pearce
In dieser Session gab Phil Pearce den Impuls, wie man herausfindet, welche Implementation zum derzeitigen Zeitpunkt am sinnvollsten und am einfachsten zu bewältigen ist und den größten
Business Value liefert. Er stellte seine selbst entwickelte Measure Matrix vor, welche natürlich an die growth-share Matrix der Boston Consulting Group angelehnt war. Hier stellte er zum einen den technischen Aufwand in Relation zur Komplexität, zu den Kosten für den Kunden und schlussendlich zu dem Wert den der Kunde daraus zieht. Diese Matrix hilft einem Projekt und Implementationen aufgrund von Zeit, Wert und Komplexität abschätzen und einzelne Steps priorisieren zu können.
WW2 Photographic Intelligence and Digital Analytics – John Woods
Ein bisschen Geschichtsunterricht gab es in der Session von John Woods. Er zeigte auf, wie bereits vor vielen Jahrzenten abseits der Digitalisierung Datenanalyse betrieben wurde und wie diese Daten gesammelt und ausgewertet wurden. Als Beispiel nahm er hierzu den zweiten Weltkrieg und wie die Briten mit Flugzeugen und Fotographen die Kriegsgebiete abflogen und fotografierten, und so aus der Ferne fremde Schiffe entdeckten oder Fliegerbomben aufgrund ihrer Form erkannten, und aufgrund dieses Wissens auch in der Lage waren weitere zu identifizieren. Die ausgedruckten Fotos wurden hier sprichwörtlich unter die Lupe genommen und in großen Stapeln archiviert und gesammelt. Auch wir können in der Datenanalyse heute nach Mustern suchen um ein großes Ganzes zu verstehen. Die Datenaufbewahrung haben wir allerdings etwas leichter als damals die Briten.
Fazit
Das MeasureCamp lohnt sich wirklich jedes Mal wieder und trägt mit Recht den Titel „world’s best analytics unconference“. Bei der Vielzahl an verschiedenen Sessions kann es gar nicht vorkommen, dass einen etwas gar nicht interessiert, eher hat man hier die Qual der Wahl. Durch die Internationalität der Teilnehmer kann man sehen, wie Webanalysten aus anderen Ländern arbeiten und mit Themen umgehen. Auch der Trainingstag am Vortag ist sehr zu empfehlen. Wer noch nicht dort war sollte schauen, ob es in seiner Nähe vielleicht auch bald eine unconference gibt!